Die deutschen Staatsoberhäupter wurden eigentlich fast immer gewählt, bei z.T. allerdings gravierenden Unterschieden bezüglich Wahlmodus und Wahlberechtigten. Ausgehend vom altgermanischen Brauch, daß die Heeresversammlung d.h. die Versammlung aller waffenfähigen Männer des Stammes den Stammesherzog wählt, engte sich der Kreis der Wahlberechtigten im Mittelalter zunächst auf den Adel, später den Hochadel (ab Graf aufwärts), schließlich auf 7 bis 10 (Stand bei Einmottung des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation) Kurfürsten ein. Stimmenkauf war allgemein üblich und da die Kurstimmen an bestimmte Territorien gebunden waren, konnte man auch durch kriegerische Unternehmungen oder eine glückliche Heirat Stimmen einheimsen. Das passive Wahlrecht erwarb man mit dem Grafentitel.

Von der Dauer seiner Gültigkeit her war dieses Wahlrecht sicher das erfolgreichste, galt es doch einschließlich der skizzierten Modifikationen bis zu seiner Abschaffung durch Napoleon 1806 weit über 800 Jahre.


Karl IV. - Schöpfer des längst-
gültigen deutschen Wahlrechts

Im 19. Jahrhundert folgte dann ab 1806 die längste Zeit ohne gewähltes deutsches Staatsoberhaupt (um genau zu sein: Deutschland hatte zu der Zeit auch kein nichtgewähltes Staatsoberhaupt, ja nicht einmal einen Staat), welche 1871 mit der Krönung des preußischen Königs Wilhem I. zum Deutschen Kaiser beendet wurde.

Auch das nun entstandene Kaiserreich war so eine Art Wahlmonarchie, auch wenn der Wahlmodus jener ulkigen Fürstenföderation (inklusive dreier Stadtrepubliken) in Praxis etwa so aussah: Als stillschweigend gewählt gilt der Monarch des größten Gliedstaates (Preußen). Gibt dieser den Löffel ab, wird automatisch und stillschweigend sein jeweiliger Thronfolger zum Kaiser gewählt. Theoretisch konnte der Kaiserkandidat seine Wahl auch ablehnen und Wilhelm I. zumindest soll das auch anfänglich erwogen haben. Er ließ es sich aber von Bismarck wieder ausreden und so sind Überlegungen müßig, ob der regierende Fürst von Reuß (kleinstes deutsches Fürstentum) oder der OB von Lübeck reelle Chancen auf die deutsche Kaiserkrone hatten. Fakt ist nur, daß auf die umrissene Weise lediglich drei deutsche Kaiser gewählt wurden.

Ab 1919 hießen die Kaiser in Deutschland dann Reichspräsident, wurden auf 5 Jahre vom Volk (ja, richtig vom Volk, auch damals schon so an die 30 Millionen Wahlberechtigte!) gewählt und hatten sehr viel Macht. So viel Macht, um beispielsweise einen Regierungschef zu ERNENNEN.

Dummerweise kam der letzte (von wiederum drei) dieser Reichspräsidenten auf die fatale Idee, sich für jenes Amt einen so gut wie nicht avancierten Weltkriegsteilnehmer (Ex-Gefreiter) und Bürgerkriegs-Warlord auszusuchen, von dem dieser als gewesener Feldmarschall wohl glaubte, er könne jenen weiter strammstehen lassen. Jener dachte aber gar nicht daran, historische Unterstellungsverhältnisse ins aktuelle politische Tagesgeschäft zu übernehmen und wartete lieber ab, bis der Präsi, ohne sich um eine geeignete Nachfolge gekümmert zu haben, verschied. Dann vereinigte er dessen Amt mit dem seinen, ernannte sich also quasi selbst zum Staatsoberhaupt, und wurde so zum FÜHRER. In dieser Eigenschaft führte er die Deutschen erstmal in die Führerstaat genannte Diktatur und anschließend in Weltkrieg, Völkermord und Verderben.

Im Gegensatz zu seinem Vorgänger sorgte sich der Führer aber schon darum, daß sein Werk von einem Nachfolger weitergeführt werde. Vor allem wollte er ausschließen, daß dieser etwa gewählt würde. Also vermachte er das schon arg beschädigte Deutschland einem Admiral, bevor er sich selbst auf dem Müllhaufen der Geschichte entsorgte. Und so sind der Führer und sein Nachfolger die einzigen nicht gewählten deutschen Staatsoberhäupter geblieben.

Aus den Trümmern des vom Führer vererbten Deutschland erstanden nämlich zwei Teilstaaten, in denen recht unterschiedliche Wahlmodi galten. Während die Wähler im Ostteil aufgrund des herrschenden chronischen Mangels nämlich gar keine Wahl hatten, als einzig den Kandidaten zu wählen, den ihnen die herrschende Partei auswählte, besann man sich im Westen klugerweise auf die traditionell bewährten Bestimmungen der Goldenen Bulle Kaiser Karls IV. aus dem Jahre 1356.

Und so bestimmt seit 1949 wieder die Heeresversammlung der erst 11 und seit der Heimholung der separatistischen Ostprovinzen 1990 16 Landesfürsten (Ministerpräsidenten der Länder) und des gewählten Hochadels des Landes (Bundestagsabgeordnete) den Deutschen Kaiser, der jetzt Bundespräsident heißt und so wenig zu sagen hat, daß er gar nicht erst auf die Idee kommt, einen neuen Führer zu ernennen, auch nicht aus Versehen.

Wenn das nicht tröstlich ist...

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