In jenen glorreichen Zeiten, als der 1. Mai noch “Internationaler Kampf-
und Feiertag der Arbeiterklasse” und nicht “Tag der Arbeit”
hieß, zählte es noch nicht zu den üblichen Gepflogenheiten,
den Wehrdienstleistenden wöchentlich Urlaub zu gewähren, um sie so
von einer triebgesteuerten Verunreinigung der (damals noch) volkseigenen Bettwäsche
abzuhalten. Nichtsdestotrotz wurden aber auch damals bereits ausschließlich
geschlechtsreife Männer einberufen, da die DDR entgegen allgemein verbreiteten
Vorurteilen doch keine südamerikanische Bananenrepublik und Kinderarbeit
demnach gesetzlich verboten war.
Damit aber geriet das sozialistische Verteidigungswesen der DDR in einen antagonistischen
Widerspruch mit der männlichen Libido.
Bekanntlich sind geschlechtsreife junge Männer spätestens nach fünfwöchigem
ununterbrochenem Kasernendasein weitab von Wein, Weib und Gesang spitz wie Nachbars
Lumpi, so daß nach weiteren fünf Wochen Zwangszölibat die Gefahr
einer Spontanbekehrung zur Homosexualität (sog. Not-Coming-Out) akut wird.
Ein schwerwiegendes wehrpolitisches Problem! Wie sollte man mit einer Truppe
warmer Brüder den Klassengegner besiegen?
Spätestens seitdem sich die Panzertruppen Rosa als Waffenfarbe erkoren
hatten, war Armeegeneral Heinz Keßler, dem obersten Kriegsherrn des kleineren
deutschen Teilstaats, klar, daß energisch eingeschritten werden mußte.
Nun war die DDR ja weltbekannt für ihren leistungsstarken chemisch-industriellen
Komplex im Raum Halle-Leipzig-Bitterfeld, in welchem so immense volkswirtschaftliche
Werte erwirtschaftet wurden, daß sich die DDR als einziges Land der Welt
einen eigenen Silbersee leisten konnte. So erging also an die Kaderschmiede
TH Leuna-Merseburg der Forschungskampfauftrag der Entwicklung eines lusthemmenden
Zusatzes zum NVA-Standardtee. Und da in der DDR alles schön nach Plan verlief,
wurde bereits nach drei Wochen ein Spezi des Jahrgangs 1976 fündig. Dieser,
ein Mann namens Olaf Hängen, hatte versucht, durch Mischen von “Sternburger
Export”, Weißenfelser Felsbräu” und “Dessauer Pilsener”
, etwas trinkbares zu erzeugen, und war nach erfolgtem Selbsttest so impotent,
daß sich sein Praktikantinnenharem in Null-Komma-Nichts auflöste.
In einer eilends einberufenen Kommandeurstagung im NVA-Hauptquartier Straußberg
bei Berlin wurde Hängen als “Verdienter Eunuch des Volkes”
geehrt und die sogenannte “Heinz-Keßler-Direktive” des Nationalen
Verteidigungsrates der DDR verabschiedet. Entsprechend diesem Erlaß wurde
festgelegt, dem Früh-, Mittags- und Abendtee der NVA-Angehörigen abgestuft
nach Dienstzeit die Hängensche Mixtur in 1,5-, 3-, 10- bzw. 25-%iger Lösung
zuzusetzen. Im Militärfachhandel setzte sich dann recht bald für das
ursprünglich “Mixtura Hängens” genannte Präparat
der Trivialname “Hängolin” durch. Unter dieser Bezeichnung
erlangte es Weltruhm.
Lange Zeit war es nämlich unklar, wie es in der DDR zu den sprichwörtlichen,
alle 18 Monate auftretenden Bevölkerungsexplosionen kommen konnte. Die
von zahlreiche Soziologen favorisierte These, daß das bei Ostdeutschen
sehr beliebte FKK-Baden Auslöser der für dieses Phänomen notwendigen
Begattungsorgien sein könnte, ist mittlerweile widerlegt. In einschlägigen
Stasiberichten ist nämlich eindeutig nachzulesen, daß derartige flächendeckende
Verstöße gegen die sozialistische Moral nicht stattgefunden haben.
Eine Studie der Forschungsgruppe “Poppen” der Gauck-Behörde
erbrachte stattdessen 1991 den Nachweis, daß die erwähnten Fruchtbarkeitsschübe
auf den staatlich verordneten Hängolin-Mißbrauch innerhalb der bewaffneten
Organe der DDR zurückzuführen und als Umkehrreaktion auf die Absetzung
des Präparates bei Wiedereintritt ins Zivilleben zu verstehen sind.
Bei dem anschließend einsetzenden zwanghaften Betroffenheitslamento selbsternannter
Antidopingexperten fiel natürlich das einzigartig Geniale an der Keßlerinitiative
zur Hängolinvergabe an Militärangehörige völlig unter den
Tisch: Die NVA bekam die Libido ihrer Soldaten OHNE Bewilligung zusätzlichen
Kurzurlaubs in den Griff und konnte auch sowohl die weltpolitisch bedenkliche
Einführung der Frauenwehrpflicht als auch die als reaktionär eingestufte
Wiederbelebung des Marketenderwesens (Stichwort MBB=Mobile Bordell Betriebe)
vermeiden. Das war richtungsweisend, das hatte Weltniveau, wie so vieles, was
sich mit den drei Buchstaben D-D-R verbindet, man denke nur an den größten
Mikrochip der Welt!
Jenseits von Elbe und Werra war man andere Wege gegangen, welche in letzter
Konsequenz in der Herausbildung der Kaste der Vollkasko-Krieger gipfelten. Bekanntester
Nachteil: Die Kasernen standen an Wochenenden chronisch leer, so daß man
die Bewachung der Objekte privaten Wach- und Schließgesellschaften übertragen
mußte, um zu verhindern, daß sich umherstreunende rivalisierende
Jugendcliquen der unbeaufsichtigten Pershing II-Raketen bemächtigten: Beim
ersten verlorenen Borussia-Dortmund-Heimspiel hätte der 3. Weltkrieg losbrechen
können, wenn dann die Borussenfront das Gelsenkirchener Parkstadion bombardiert
hätte!
Man denke sich vor diesem Hintergrund nur die diplomatischen Verwicklungen in
der Dritten Welt, wenn sich die Bundesrepublik als Hauptsponsor der beliebten
Goethe-Institute wegen chronischem nuklearem Fallouts in der Heimat aus der
Förderung von Weltuntergangssekten in Südamerika und am mittleren
Kongo hätte zurückziehen müssen. Die Weltbevölkerung hätte
gigantische Ausmaße angenommen, was zwangsläufig eine verstärkte
illegale Einreise nicht erbberechtigter Söhne und Töchter nach Deutschland
zur Folge gehabt hätte, die obendrein noch wegen der hohen Strahlenbelastung
alle medizinisch rundumversorgt hätten werden müssen: Die Krankenkassen
wären noch viel schneller pleite gewesen als so schon!
Das ganze Dilemma offenbarte sich schließlich in seiner ganzen Tragweite,
als 1998 mit Joschka Fischer erstmals ein erprobter Pflastersteinwerfer und
RAF-Sympathisant an die Abzugshebel der Weltpolitik gelangte und die deutsche
Außenpolitik eine seit Joachim vonRibbentrop nicht mehr erreichte Brisanz
gewann, mit unmittelbaren Auswirkungen auf den “Bürger in Uniform”
.
Sicher haben sich doch einige Zeitsoldaten im Herbst ’99 sehr gewundert,
wieso sie zu ihrem Marschbefehl nach Prizren/Kosovo keine Militärrückfahrkarten
wie sonst üblich sondern nur einfache Tickets Hin ausgehändigt bekamen.
Und daß, wo in in südslawischen Karsthöhlen bekanntlich der
berüchtigte serbische Heckenschütze UN-Beauftragten und alleinreisenden
Frauen aufzulauern pflegt! Da könnte man ja regelrecht Angst bekommen,
erschossen zu werden...
Das ist, auf deutsch gesagt, ganz schön scheiße. Vor allem, wenn
man bedenkt, wie schön der ganze Balkankrieg hätte verhindert werden
können. Man hätte bloß statt Panzern an die Türkei Hängolin
an die jugoslawische Volksarmee liefern müssen und die kriegsauslösenden
Massenvergewaltigungen wären unterblieben. Ganz abgesehen von drei gebeutelten
ostdeutschen Brauereien, deren Fortbestand so dauerhaft gesichert worden wäre.
Auch hier wurden wieder einmal sträflich Chancen des Einigungsprozesses
vertan...
Am 1.Mai 1977 beschloß der Nationale Verteidigungsrat der DDR die Übernahme
von Hängolin in die Truppenverpflegung der NVA.