In Verfolgung seiner strategischen Zielstellung, im Jahre 2023 entweder zum fünften Mal in Folge den Literatur-Nobelpreis zu erringen oder gar gleich zum Literaturpapst gekürt zu werden, veröffentlicht Onkel Ho unter dieser Rubrik Auszüge aus seinem literarischen Gesamtschaffen sowie in unregelmäßigen Abständen Wortmeldungen zum Zeitgeschehen.

1. Highlights aus 21 Jahren Winkel-Schriftstellerei

 

2. Onkel Ho's propagandistische Kolumne

24.11.2010: Neues vom Sarazenen: die Hugenottenspur

Sagt mal, was macht eigentlich Thilo Sarrazin? Schon fast zwei Monate ohne Meldungen vom Brunnenvergifter, pennen die bei „BILD“ etwa? OK, inzwischen waren ja „Stuttgart 21“, „CASTOR 2010“ und jetzt zuletzt die Terrorwarnungen u.a. für den Deutschen Bundestag samt Kuppel- und Dachterrassensperrung im Hohen Haus, da kann man schon mal den Überblick verlieren.

Nicht zu vergessen noch die hochwichtige Brisanznachricht, dass Al-Kaida mittlerweile über eine Internet-„Cosmopolitan“ namens „Inspire“ verfügt, wo man sich auf Hochglanzseiten aus erster und berufener Hand über den Stand der Dinge beim Bombenbasteln und –zünden informieren kann.

Megaout bei der neuen Yuppi-Al-Kaida? Handgemachte Osama-Vids auf VHS

Ich hatte ja schon immer vermutet, dass es bei den islamistischen Dunkelmännern eine Kaschmir- und Seidefraktion geben müsse, die sich beim konspirativen Sektfrühstück natürlich keine verrauschten Videobotschaften des abgewirtschafteten Altkaders Osama Bin-Laden reinzieht. Die allgegenwärtige Gentrifizierung hat also nunmehr auch die Terrorszene erreicht. Dann dauert’s ja bestimmt nicht mehr lange, dass auf „Al-Dshasira“ die Sendung „Terror-Camp“ gestartet wird, in der angejahrte Dromedar-Marathon-Sieger und vom Petrodollar-Jet-Set angeödete Fünft- bis Achtsöhne der saudischen Herrscherkaste ihrem Schmarotzerdasein eine prickelnde Wende geben können...

Ärgern tut mich nur, dass in der Zwischenzeit unser doppelt assimilierter Sarazene Thilo S. die Tantiemen seines Unsachbuches – na, weiß jemand noch den Titel? – völlig ungestört verprassen soll. Dem dürfte hiermit Einhalt geboten werden!


Schrecken des mittelalterlichen Europa: Sarazene (frz. Sarazin) in vollem Wichs...

Doch zu Beginn erst mal dies: Warum nenne ich unseren deutschtümelnden Finanzfuchs eigentlich Sarazene und doppelt assimiliert? Ganz einfach, weil er’s ist – logisch!

Heißt der Typ doch mit dem Nachnamen „Sarrazin“, und was sagt mein Namenslexikon zur Herausbildung von Nachnamen? Richtig: Diese wurden im Zuge der voranschreitenden Urbanisierung im Spätmittelalter vergeben, um beispielsweise gehäuft auftretende Thilos voneinander unterscheiden zu können. Für solchen differenzierenden Zusatz zum Vornamen kamen üblicherweise der Vorname des Sippengründers, dessen Herkunftsort oder –landstrich, sein Wohnsitz, sein Beruf oder aber besondere körperliche und geistige Eigenschaften des Namensträgers infrage. Aha! Daher also Nachnamen wie Walther, Wiener, Hesse, Bach, Köhler, Lange oder Kluge. Sarrazin wiederum ist französisch und heißt Sarazene. So nannte man im Mittelalter die Araber, woraus haarscharf zu schließen ist, dass die Vorfahren unseres Ex-Finanzsenators und Ex-Bundesbank-Vorstandes Araber waren, die zu Franzosen wurden, welche sich später wiederum zu Deutschen wandelten. Und da man davon heute nüscht mehr merkt, wurde Thilo Sarrazins Familie also assimiliert, und zwar gleich zweimal! Allet klar?
Logisch auch, dass Thilo Sarrazin im Grunde natürlich immer Assimilation meint, wenn er von Integration spricht. Warum soll es anderen besser gehen als seiner anpassungswütigen Mischpoke! Wären seine Urahnen renitenter gewesen, könnte er heute so wunderbar in Neukölln sein „Hartz IV“ genießen (endlich verstehe ich seine diesbezüglichen Rechenexempel zu seligen Senatorenzeiten!) und Kopftuchmädchen in die Welt setzen. Der Mann ist ja schlichtweg traumatisiert von der Bürde seiner assimilationsgeprägten Familiengeschichte seit Mittelalter und früher Neuzeit!

Wer mich kennt, weiß ja, dass ich ein großer Fan gerade der frühen Neuzeit bin. Damals wurden zum Beispiel noch Kriege geführt, bei denen es richtig um was ging. Etwa um die Frage, in welcher Sprache der Pfaffe seinen Sermon sonntags von der Kanzel herunterleiern darf. Oder: Ist es statthaft, Heiligenknochen gegen Bezahlung auszustellen, die man vorher selbst produziert hat? Ein anderer kultiger Kriegsgrund war die folgende knifflige Fragestellung: Darf ich eigentlich meinen Nachbarn erschlagen, wenn ich hinterher meinem Hauskloster für dessen Kirche einen neuen Altar stifte? Selbstredend, nachdem ich zuerst beim örtlichen Winkeladvokaten ordnungsgemäß einen Fehdebrief verfassen ließ und diesen dann vor erfolgter Bluttat (ganz wichtig!) dem zu Ermordenden gegeben habe?


Ritter Runkels ist mächtig sackig auf Graf Kuckucksberg...
Im Ernst, im Mittelalter war das eine übliche Vorgehensweise, wenn etwa der Ritter Runkel ein Auge auf ein paar Äcker des benachbarten Kuckucksbergers geworfen hatte, jedoch nicht über die nötigen Finanzmittel zum käuflichen Erwerb der fraglichen Ländereien verfügte und außerdem Bock darauf hatte, es dem im Adelsrang über ihm stehenden Grafen heimzuzahlen, dass dieser ihm seine Jugendliebe Adelaide von Möhrenfeld abspenstig gemacht hatte – ich weiß, im „Mosaik“ steht’s anders, aber in wirklich gab’s auch keine Digedags, die Ritter Runkel bei seinen Problemen hätten helfen können.

Dafür gab’s an sich den Kaiser, der normalerweise derartige Streitereien am Burggraben durch salomonische Schiedssprüche zu schlichten hatte, wenn, ja wenn seine Majestät nicht mal wieder gerade kreuzziehenderweise im Morgenlande oder zu Kreuz kriechenderweise in Italien zu weilen geruhten oder – auch das kam vor – es überhaupt gar keinen Kaiser gab. Dann wurde also „gehändelt“, so nannte man das.

21. Januar 1793: Der französische Staat (Ludwig XVI.) verliert seinen Kopf...
Dieser schöne Brauch wurde, da er als Kollateralschaden unter anderem Handel und Wandel beeinträchtigte, ihr ahnt es – Richtig! – in der frühen Neuzeit abgeschafft. Der Krieg wandelte sich vom Gesellschaftsspiel edel geborener Herren allmählich zum heute gängigen Abschlachten wegen profanerer Dinge wie etwa Ölquellen oder Diamantenminen bzw. abstrakterer wie etwa Freiheit und Demokratie.

Was, ihr meint, Freiheit und Demokratie seien gar nicht so abstrakt? Nun, wie frei fühlt ihr euch denn gerade, jetzt, so im Moment? Na, dämmert’s? Und, dass Demokratie wörtlich übersetzt „Volksherrschaft“ heißt, sollte auch trotz Bildungsmisere den meisten bekannt vorkommen.
Fragt sich nur, welches Volk hier in Deutschland gerade herrscht. Das deutsche etwa? – Da geht’s etlichen Herrschern aber ganz schön mies! Die Kasperköpfe vielleicht, die denken, sie würden hier irgend etwas entscheiden? – Dazu funktioniert das, was die Regieren nennen, doch zu mäßig.

Allerdings könnten die Herrschaften ja dem Wahne unterliegen, sie und nur sie seien das Volk, immerhin gab’s ja in Frankreich mal einen, der behauptete, er sei der Staat, und es funktionierte. Allerdings nur so lange, bis man etwas über hundert Jahre später dem Staat buchstäblich den Kopf abhackte. Insofern ist Volksherrschaft sicher praktischer als Autokratie, zumindest aber schwerer totzukriegen...

Doch beim „Rübe ab!“ sind wir im 15./16. Jahrhundert noch lange nicht. Wir sind erst mal beim Wetter. Das überrascht jetzt, nicht wahr? Aber warum sollten die Top-Themen von heute vor 500 Jahren nicht auch schon interessiert haben? Und richtig, so war es auch! Um 1500 herum wurde nämlich das Wetter in großen Teilen Europas so langsam aber sicher richtig Scheiße: Lange, kalte Winter, verregnete Sommer, viele verheerende Unwetter. So wie in diesem Jahr (2010) in Deutschland auch, nur dass das erst mal für knapp 300 Jahre, abgesehen von kurzen zwischenzeitlichen Aufheiterungen, auch so blieb.


Eislaufen beispielsweise etablierte sich während der Periode des allgemeinen Mistwetters nach 1500 auf Hollands Grachten als Volkssport...
Die Folge waren häufige Missernten und Hungersnöte – kurz, eine Versorgungskrise. Außerdem wurde Amerika entdeckt, was den bis dato von der Kirche verbreiteten Glaubensweisheiten doch ziemlich widersprach und somit die christlich geprägte Kultur des Abendlandes in Frage zu stellen begann – eine Kulturkrise zeichnete sich ab. In Amerika wurden auch erhebliche neue Gold- und Silbervorkommen erschlossen, was summa summarum den Geldumlauf in Europa explodieren ließ und so in etlichen Ländern zu Inflation führte – mit einem Wort: Finanzkrise!

Krise allenthalben, genau wie heute! Und was geschieht in Zeiten der Krise? – Richtig! Die Leute machen sich Sorgen. Und dann? – Wieder richtig! Dann kommen kluge Leute, die den Menschen die Krise erklären. Heute sind das Wissenschaftler: Naturforscher, Soziologen, Wirtschaftswissenschaftler und Juristen, die angesehensten von jeder Sparte. Vor 500 Jahren war das ähnlich: Auch damals versuchten natürlich Wissenschaftler, Erklärungen für die Krise zu liefern – und es waren die angesehensten ihrer Zeit, Theologen nämlich!

Martin Luther: Verkappter Kannibale?
Dazu muss man wissen, dass es im ausgehenden Mittelalter lediglich drei eigentliche Wissenschaften gab, nämlich Jurisprudenz, Medizin und Theologie, die man sich an einer Universität nach einem Vorstudium in den sieben „Freien Künsten“ Grammatik, Rhetorik, Dialektik, Arithmetik, Geometrie, Musik und Astronomie aneignen konnte. Und von diesen drei Wissenschaftsdisziplinen war nun die Theologie die angesehenste, weil sie im Gegensatz zu Medizin und Recht, den Spezialfächern quasi, eine universellere Ausrichtung hatte.

Rechtsgelehrte und Ärzte galten im Vergleich mit Theologen als Fachidioten und wurden demzufolge auch nur in Rechts- bzw. Gesundheitsfragen behelligt, während man bei grundsätzlichen Problemen wie einer Teuerung, einem Mongoleneinfall oder einer als bedrohlich empfundenen Sonnenfinsternis doch den Theologen zu Rate zog.
Ja, selbst Mediziner und Rechtsverdreher konsultierten, wenn sie mit ihrem Latein am Ende waren, im Zweifelsfalle lieber erst mal einen erfahrenen Ausleger der Heiligen Schrift, um etwa bei der Eindämmung einer Pestepidemie oder einer Königswahl die richtigen Entscheidungen treffen zu können.

Logisch, dass die Herren Theologen daraufhin annehmen mussten, in besonderer Weise der göttlichen Weisheit teilhaftig zu sein und demzufolge auch meinten, entsprechende Rezepte parat zu haben, als sich um 1500 die Katastrophen zu häufen begannen. Ihr übliches Erklärungsmuster für Heuschreckenplagen, Missernten, Hungersnöte und Kriege lautete: Strafe Gottes für die sündige Christenheit! Konventionelle Lösungsmechanismen zum Krisenmanagement waren Kirchenneubauten, Kreuzzüge, Ketzerverfolgungen, zusätzliche Prozessionen und Reliquienschreine, Bußgottesdienste. Aber es gab auch Dissidenten, die anders dachten und als Ursache der Misere zu beseitigende Missstände in Kirche und Gesellschaft anprangerten. Die bekanntesten waren wohl Martin Luther in Wittenberg und Johannes Calvin in Genf.


Prädistiniert zum Glaubenskrieg: Johannes Calvin
Und wie das bei Experten manchmal so ist, waren beide einander natürlich spinnefeind. Gemeinsam war beiden, dass sie der alleinseligmachenden katholischen Kirche äußerlichen Pomp und den Verrat urchristlicher Ideale vorwarfen. Auch in den Lösungsvorschlägen unterschieden die zwei theologischen Koryphäen sich nicht nennenswert, forderten doch beide eine Erneuerung der Kirche nach den fünf Prinzipien „Einzig durch die Schrift“, „Einzig durch den Glauben“, „Einzig durch Gnade“, „Einzig durch Christus“ und „Einzig zur Ehre Gottes“. Lediglich Detailfragen blieben strittig, wie etwa die nach der tatsächlichen oder doch nur symbolischen Anwesenheit von Leib (Hostie) und Blut (Wein) Christi bei der Abendmahlsfeier – Calvin verfocht da den weniger kannibalischen Ansatz als Luther...

Bäcker Zuckerbrots verzweifelte Versuche, seine Schrippen zu verkloppen...

Zum größten Zankapfel zwischen den verfeindeten Theologen sollte sich aber die so genannte Prädestination entwickeln. Kurz gesagt ging es dabei darum, ob jeder einzelne Mensch grundsätzlich entweder zur Seligkeit oder zur Verdammnis vorherbestimmt ist oder nicht, und zwar ohne persönliches Verdienst oder Schuld des betreffenden Gläubigen. Zeigen sollte sich solcherart erteilte oder verweigerte göttliche Gnade dann zum Beispiel anhand des beruflichen und gesellschaftlichen Erfolges.

Mit anderen Worten, wenn der Bäcker Zuckerbrot mit seinem Laden pleite machte, lag das weniger an dessen beruflichem Unvermögen oder seinem geschäftlichen Ungeschick sondern an Meister Zuckerbrots persönlichem Pech, von der göttlichen Gnadensonne weniger bestrahlt zu sein als etwa der Wucherer Schleimbeutel, dessen benachbarte Wechselstube im Gegensatz zu Zuckerbrots Bäckerei florierte.
Weiter hieß das auch, dass folglich Schleimbeutels gesamtes Wirken gottgefällig sein musste, da ja sein Geschäft so unwahrscheinlich blühte. Deshalb galt der Wucherer auch als besonders frommer Mann, obwohl sein Tun die halbe städtische Handwerkerschaft in den Ruin gestürzt hatte. Soweit der calvinistische Standpunkt, welcher von den Lutheranern – und übrigens auch den Katholiken – erbittert bekämpft wurde.

Wie man sieht, bestanden also Gründe zuhauf für beide Religionsführer, die eigene Anhängerschaft zu fanatisieren, geistig aufzurüsten und schließlich auch regelrecht zu radikalisieren. Die beiden Dissidentenbewegungen ablehnend gegenüberstehenden Katholiken taten ein selbes, so dass sich binnen kurzem in Europa hochgerüstete konfessionelle Lager gegenüber standen, die alle darauf brannten, einander aus äußerst nachvollziehbaren Gründen an die Kehle zu springen.

Grob gesagt hatte sich im Laufe des 16. Jahrhunderts folgende Situation ergeben: In Deutschland und Skandinavien hatten sich im wesentlichen die Lutheraner durchgesetzt, in Ungarn, der Schweiz und Westeuropa (England, Schottland, nördliche Niederlande) die Calvinisten besonderen Zulauf erhalten, während der erweiterte, nicht osmanisch besetzte, Mittelmeerraum sowie Irland und Polen katholisch geblieben waren. Allerdings bestanden in fast allen von der Reformation betroffenen Ländern katholische Minderheiten, was im Extrem – also in der Regel – zu Bürgerkriegen führte.


...interessieren Wucherer Schleimbeutel nur insoweit, dass seine Kasse stimmt...

So in etwa kann man sich das vorstellen...
Eine Sonderstellung nahm Frankreich ein, wo sich zwar die Katholiken mehrheitlich behaupten konnten, die hier – vermutlich wegen der Schweizer Herkunft ihres Propheten – Hugenotten, sprich „Eidgenossen“, genannten Calvinisten aber auch trotz schärfster Verfolgung zunehmend Einfluss gewinnen konnten. Nun hat Verfolgung leider den unschönen Nebeneffekt, dass sich die Verfolgten dabei radikalisieren, was im Frankreich der frühen Neuzeit auch prompt eintrat. Und da die Verfolgung der Calvinisten vom französischen König ausging, waren die Hugenotten in der Folge nicht eben königstreu eingestellt, was wiederum eine Verschärfung obrigkeitlicher Repressalien bis hin zu Bürgerkrieg und Genozid („Bartholomäusnacht“) zur Folge hatte und letztlich eine hugenottische Flüchtlingswelle erzeugte, die sich Ende des 17. Jahrhunderts über Europa ergoss.

Das Bartholomäusnacht-Massaker (auch Pariser Bluthochzeit) in der Nacht zum 24. August 1572, die Mutter aller ethnisch-religiösen Säuberungen der frühen Neuzeit

Für Frankreich bedeutete das einen nicht zu unterschätzenden wirtschaftlichen Aderlass, waren doch die Hugenotten, befeuert nicht zuletzt durch ihr in den calvinistischen Gotteserwähltheitsvorstellungen begründetes Arbeitsethos, in die leistungsfähigsten Gesellschaftsschichten der „Grande Nation“ aufgestiegen. Die unter Fachkräftemangel leidenden und durch Religionskriege ausgebluteten nichtkatholischen Nachbarländer hat’s dagegen sicher gefreut. Und Thilo Sarrazins Vorfahren wurden so zu deutschen Mitbürgern!

Das ist ja nun erst mal nicht so furchtbar schlimm, wurde doch durch die nunmehr ins deutsche Denken einfließenden hugenottischen Prädestinationsansichten möglicherweise die mittlerweile sprichwörtliche deutsche Arbeitswut wenn schon nicht begründet so doch wenigstens entscheidend gefördert.

Wesentlich war aber auch, dass mit diesen Anschauungen noch anderes ins deutsche Meinungsbild einfloss, was sich heute unter anderem in Herrn Sarrazins Migrationsthesen zeigt. Interessant ist nämlich, dass sich die calvinistische Prädestinationslehre auch rassistisch interpretieren lässt, indem man kurzum gottgewollte Unterschiede zwischen den Rassen postuliert und diese dann zur Basis von Wertungen macht. Sehr schnell kommt man so zu der Ansicht, dass etwa die ungebildeten Schwarzen den höherstehenden Weißen zu dienen haben oder dass beide Bevölkerungsgruppen sich keinesfalls „vermischen“ dürfen.

Da überrascht es eigentlich kaum, dass die burischen Erfinder der Apartheid in Südafrika strenggläubige Calvinisten waren und der erste südafrikanische Apartheid-Premier Daniel François Malan sogar von hugenottischen Einwanderern abstammte. Ersetzt man schließlich dann noch die göttliche Prädestination durch eine genetische, sind wir doch glatt wieder bei dem von Thilo Sarrazin entdeckten, im Gebärmutterhals muslimischer Migrantinnen heranwachsenden Verdummungspotential. Nachbarschaften tun sich da auf!


Erfinder der Apartheid:
Daniel François Malan
Selbst zu religiösem Fundamentalismus, der doch heute ziemlich einengend nur mit dem Islam in Verbindung gebracht wird! Jedoch kennzeichnete gerade den Calvinismus im gesellschaftlichen Diskurs der frühen Neuzeit ein erheblich höheres Aggressionspotential verglichen etwa mit dem Luthertum. Gut, dessen Arbeitnehmerflügel war zumindest in Deutschland bereits frühzeitig im Bauernkrieg von 1525 ausgeschaltet worden, was bei den Calvinisten in dem Umfang nicht der Fall gewesen war, aber selbst calvinistische Fürsten wie etwa Wilhelm von Oranien waren häufig deutlich militanter als ihre lutherischen Kollegen. Um so mehr steppte dann der Bär, wenn der adlige Deckel mal vom Topf flog!

Hinrichtung Charles I. am 30. Januar 1649: England wurde in der Folge für mehr als ein Jahrzehnt Republik!

1649 in England beispielsweise, als dort die calvinistisch beeinflussten Puritaner zu der Überzeugung gelangten, König Charles I. sei aufgrund seiner Rekatholisierungsbestrebungen nicht mehr dazu prädestiniert, das Land weiterzuregieren. Daraufhin setzten diese religiösen Hardliner die Enthauptung des Monarchen im Parlament durch. An derartige Vorkommnisse war in Deutschland natürlich nicht zu denken gewesen, da hier Tyrannenmord als Mittel zur Klärung von Machtfragen scheinbar schon immer ziemlich verpönt gewesen war, wie lediglich ein Königsmord in über 1000 Jahren deutscher Geschichte auch anschaulich zeigt.
Um so mehr mussten bei deutschen Nicht-Calvinisten Befürchtungen gegenüber der Militanz dieser Bewegung wachsen, die unseren heutigen, die Islamisten betreffenden, auffallend geähnelt haben müssen.

Da verläuft dann auf einmal urplötzlich eine äußerst eigenartige hugenottische Spur von den Ansichten eines ehemaligen Berliner Finanzsenators direktemang zurück in die frühe Neuzeit. Und in der könnten wir dann ganz schnell mal wieder landen, wenn der derzeit eifrigst herbeigeredete Kulturkampf zwischen Christen und Muslimen Realität werden sollte.

Bin übrigens sehr gespannt, welche Kröte hinter dem Nebelvorhang der eingangs erwähnten, derzeit grassierenden Terrorgefahr-Hysterie zum Verzehr vorbereitet wird und wann diese auf den Tisch kommt, auf dass der Deutsche Michel sie schlucke. Ich tippe mal auf Weihnachten und habe deshalb schon mal meiner langjährigen Freundin Jenny ein Paket geschickt. Mal sehen, wie oft das auf dem Wege nach Österreich in die Luft gejagt werden wird...